přeskočit k navigaci »

Eger, Burg

 
 

Bei den ersten, 1911 vom Berliner Architekten J. E. Jonas auf der Egerer Burg durchgeführten Ausgrabungen wurde im östlichen Bereich der Anlage ein Körpergräberfeld gefunden, das der Wiener Hofrat Toldt sofort als slawisch und christlich erkannte. Vom christlichen Charakter zeugen die Lage der Bestatteten mit Füßen nach Osten, der Mangel an Grabbeigaben sowie die Grabsteine mit eingeritzten Kreuzen (Jonas 1912, 37-42). R. Turek (1950) datierte das Gräberfeld nach den gefundenen Schläfenringen in einen Zeitraum vom 10. bis zum 11. Jahrhundert. Weitere archäologische Ausgrabungen sowie Probenanalysen haben allerdings gezeigt, dass Bestattungen an dieser Stelle bereits früher einsetzen.
    In einem kleinen, im Chor der staufischen Doppelkapelle angelegten Schnitt von 60 x 90 cm fand Architekt Jonas das Fragment eines sanft gekrümmten Mauerwerks, von dem er meinte, dass es sich um die Grundmauer einer Rotunde handelt. (Abb. 01) Bei der archäologischen Nachgrabung im Jahr 1968 stellte O. Pospíchalová fest, dass es sich um keine Grundmauer handelt, sondern um eine Mörtelscholle auf einer steinernen Unterlage (Abb. 02). Angesichts deren tiefen Lage unter der Grundmauer der Doppelkapelle nehme ich an, dass sie den einzigen Fußbodenrest eines älteren Sakralbaus darstellt, dessen Fundament im Jahr 1997 unter dem Fußboden der nördlichen Sakristei der Doppelkapelle gefunden wurde. Die 90 cm breite Grundmauer aus Steinen im Mörtelverband wurde mit einer mächtigen Bauschuttschicht überdeckt, auf der erst die Trennwände aufgemauert wurden, durch die der Innenraum der Doppelkapelle gegliedert ist. Der östliche Abschluss der älteren Grundmauer ist zwar erkennbar, aber es ist nicht klar, ob es sich um eine ursprüngliche Ecke handelt, oder ob die Mauer beim Aushub der Baugrube für die staufische Kapelle abgerissen wurde. Die vermutete Fortsetzung der Grundmauer in westlicher Richtung wurde im Februar 2000 unter dem Fußboden des Schiffes festgestellt (Abb. 03). Die nördliche Grundmauer des älteren Baus ist 11 m lang und verläuft in einer Entfernung von 40 – 60 cm parallel zur Nordwand der staufischen Kapelle. Der rechteckige Innenraum besitzt eine Breite von 6 m sowie eine Länge von 8 m, inklusive der möglichen Apsis von 11 m. Das markant verstärkte Mauerwerk (2 x 1,5 m) in der nordwestlichen Ecke kann entweder als Fundament eines kleinen Glockenturmes, oder einer Treppe zu einer Empore interpretiert werden. Eines der Gräber war durch die Westwand der älteren Kirche offenbar zerstört worden, woraus sich ergibt, dass es älter als der Sakralbau ist. Die übrigen Bestattungen blieben sowohl durch die Nordwand als auch die Westwand dieses Baus unberührt, und dürfen deshalb auch jünger gewesen sein. In der Ecke vor der nordwestlichen Säule und dem Triumphbogen der Doppelkapelle befanden sich zwei Gruben mit Schädeln und Langknochen ohne deutliche Orientierung, was nahelegt, dass sie erst beim Bau der Kapelle zur Aufbewahrung von ausgegrabenen Gebeinen ausgehoben wurden.
    Im Fundament der Trennwand bei der südlichen Sakristei im Chor der Unterkapelle ist eine markante Baunaht erkennbar, von der sich schräg nach Ostnordosten die Grundmauer der Apsis der älteren Kirche fortsetzt. Als Abschluss der Apsis kann eine undeutliche Anomalie der verstärkten Grundmauer unter dem gotischen Fenster betrachtet werden, die im April 1998 beim Aushub eines Kanals zwischen der Kapelle und der Burgmauer entdeckt wurde. (Abb. 04)
Für die Datierung des Gräberfeldes stehen uns einige neue 14C-Daten zur Verfügung. Sie wurden insbesondere aus den Kohlenresten gewonnen, die auf den Grabsohlen gefunden wurden und wahrscheinlich von Brettern oder Truhen stammen. Gemeinsam mit den aus der Wohngrube beim Schwarzen Turm gewonnenen Daten erlauben sie, die ältesten Bestattungen in die Mitte des 9. Jahrhunderts zu datieren. Deutsche Historiker datieren den Prozess der Christianisierung des Landes ins 8. spätestens ins 9. Jahrhundert (Rimpl 1933, 15) und dementsprechend auch den Egerer Friedhof auf dem Burgwall in einen Zeitraum vom 8. bis zum 10. Jahrhundert (Rimpl 1933, 15, Anm. 28). Es ist allgemein bekannt, dass die Slawen erst nach der Bekehrung zum Christentum zu Körperbestattungen übergingen (Šimek 1955, 169). Die 1997 gefundene Kirche wurde im nördlichen Bereich des Friedhofs gebaut, wo es damals am wenigsten Gräber gab. Zu einer zeitlichen Einordnung der Kirche versuche ich durch die folgende Deduktion zu kommen.
In den Fuldaer Annalen ist vermerkt, dass sich vierzehn böhmische Fürsten mit ihrem Volk am 13. Februar 845 im Beisein des ostfränkischen Königs Ludwig des Deutschen in Regensburg taufen ließen. Nach Dušan Třeštík befand sich das in den Annalen aufgeführte Gebiet Becheimare im westlichsten Zipfel des böhmischen Kessels (Třeštík 1994, 456). Aus allen Zusammenhängen kann der Schluss gezogen werden, dass einer der Fürsten auch der Herr des Egerer Burgwalls war und die Taufe für ihn keinen Akt der Bekehrung zum Christentum bedeutete, sondern die Bestätigung dessen, dass er schon vorher den christlichen Glauben angenommen hatte. Wahrscheinlich nicht lange nach der Rückkehr von der festlichen Taufe ließ er die oben erwähnte kleine Kirche auf dem schon bestehenden Friedhof erbauen. Der Egerer Herr und sein Volk glaubten echt und tief an Gott und gaben ihren Glauben nicht mehr auf. Die übrigen Fürsten hielten dagegen die Regensburger Taufe wohl nur für einen politischen Akt, weil sie sich im darauf folgenden Jahr 846 beim Kriegszug Ludwigs des Deutschen gegen die Mähren auf die Seite der mährischen Verteidiger stellten und den „Gott der Deutschen“ wieder ablehnten. Die Christianisierung Böhmens sowie weitere staatsbildende Prozesse in Böhmen wurden dadurch um fast vierzig Jahre verschoben, bis in die Regierungszeit des Fürsten Bořivoj I., der die Taufe erst in den 80er Jahren des 9. Jahrhunderts durch Kyrill und Method empfing. Eger blieb aber nach wie vor christlich und gehörte bis zum Jahr 1787 zur Regensburger Diözese (Siegl 1931, 79). Die vermutete Teilnahme des Egerer Herrn gemeinsam mit weiteren Burgherren an den Regensburger Verhandlungen mit Ludwig dem Deutschen untermauert die These, dass das von den Chbanen alias Zettlitzern bewohnte Gebiet bis zum Beginn der deutschen Kolonisierung im 12. Jahrhundert eher zu einem freien Bündnis von Stammfürstentümern in Westböhmen gehörte als zum Gebiet der Naab-Wenden (Šimek 1955, 285; Holý 1968, 225).
Bei den im Jahr 2000 vorgenommenen Ausgrabungen in der südlichen Sakristei der staufischen Kapelle wurde ein Grab freigelegt, das ganz bestimmt während der Existenz der älteren Kirche angelegt worden war, worauf die Lage an der Grundmauer in der südöstlichen Ecke des Vorgängerbaus sowie die Grabausstattung hinweisen. In der rechteckigen Grube lag das Skelett eines 185 cm großen Mannes. Er war der Einzige im gesamten Gräberfeld, der außer einem Eisenmesser an der Taille auch eiserne, leider völlig korrodierte und zerfallene Sporen an seinen Beinen trug. In der Verfüllung befanden sich burgwallzeitliche Keramikscherben. Im Kopfbereich war die Grabgrube mit Steinen ausgekleidet und die Beine des Toten reichten fast bis zum steinernen Mauerwerk des östlichen Kirchenabschlusses. Ohne Zweifel handelte es sich um einen bedeutenden Mann, höchstwahrscheinlich den Fürsten des Egerer Burgwalls und den Gründer der ältesten steinernen Kirche nicht nur in Eger, sondern wohl in ganz Böhmen. (Abb. 5)
Diese Kirche erfüllte ihren Zweck auch während der gesamten Zeit der Kolonisierung durch die Vohburger (ca. 1120-1146) und noch in den ersten Jahren der Regierung Friedrichs Barbarossa (1167-1190). (Abb. 06; Abb. 07) Wahrscheinlich nach seinem zweiten Besuch der Egerer Pfalz im Jahr 1183 ließ der Kaiser an der Stelle der kleinen Kirche eine Doppelkapelle erbauen, die sich bis heute erhalten hat. Um die Datierung ihrer Erbauung wurde ein jahrelanger Streit geführt, den erst die dendrochronologische Analyse der Reste von Rundhölzern beendete, die für den Gerüstbau verwendet und in den Wänden der Oberkapelle bei deren Renovierung im Jahr 2002 gefunden wurden. Als Fällungszeit der Tannenhölzer wurde durch Tomáš Kyncl der Winter 1187/88 ermittelt. Weil für den Bau des Gerüsts ausschließlich nur saftfrisches Holz genutzt wird, im Unterschied zur Fertigung der Balken für Dachstühle oder Decken, halte ich die analysierten Holzproben für einen zuverlässigen Nachweis für die Bauzeit der Oberkapelle. Im Jahr deren Fertigstellung verbrachte Friedrich Barbarossa in Eger das letzte Weihnachten vor dem Abmarsch zu einem Kreuzzug, in dessen Verlauf er 1190 seinen Tod im Fluss Saleph fand.
Durch die im Jahr 2000 auch in der Unterkapelle durchgeführten Ausgrabungen wurde nachgewiesen, dass die Doppelkapelle einschließlich der inneren Verbindungstreppe zwischen dem unteren und oberen Bereich in einem Zug nach einem einheitlichen Plan gebaut wurde. Diese Erkenntnis basiert auf der Feststellung, dass das Treppenfundament aus Granitquadern auf dem teilweise abgetragenen Mauerwerk der älteren Kirche angelegt und der Mörtelboden über die Baufuge gezogen wurde. (Abb. 08) Wäre die Treppe später gebaut worden, wie bisher fast alle Forscher anführen, müsste das Treppenfundament auf dem ursprünglichen Fußboden stehen, oder in diesem eingelassen sein. In letzterem Fall würden sich dann Unebenheiten nach dem Ausbrechen einer Gründungssohle an der Kante des Fußbodens entlang der Treppenwand zeigen. Die dünnere nördliche Außenmauer im Treppenbereich weist ebenfalls keine Spuren des Abhauens auf und wurde offenbar dem größeren Raum der Oberkapelle schon während der Mauerung angepasst. Die Marmorkonsole mit der Darstellung eines bärtigen Mannes in der Ecke über der Treppe trägt eine Viertelsäule. Nach den jüngsten Erkenntnissen wurde sie nicht von andernorts hierher übertragen und sekundär angebracht, wie man dies lange Zeit vermutete. Das abgebildete Gesicht war nämlich für eine Ansicht von vorne und nicht von unten bestimmt, und außerdem wurden noch Reste des romanischen Putzes an der Konsole festgestellt. Drei Balkenlöcher, die im Jahr 2002 nach dem Abschlagen des Putzes in den beiden Ecken der Westwand in der Unter- sowie der Oberkapelle zum Vorschein kamen, können als Spuren kleiner Musikemporen angesehen werden. (Abb. 09)

 

Obrázky

Abb. 07. Eger, Burg. Zeichnungsrekonstruktion der ersten Egerer Kirche in der Pfalz vor 1183. Zeichnung: P. Šebesta

Abb. 07. Eger, Burg. Zeichnungsrekonstruktion der ersten Egerer Kirche in der Pfalz vor 1183. Zeichnung: P. Šebesta

Abb. 01. Eger, Burg. Suchschnitt im Chor mit dem Fundament einer „Rotunde“, 1911. Nach Jonas 1912, Fig. 20.

Abb. 01. Eger, Burg. Suchschnitt im Chor mit dem Fundament einer „Rotunde“, 1911. Nach Jonas 1912, Fig. 20.

Abb. 02. Eger, Burg. Mörtelscholle im Chor, 1968. Foto aus dem Archiv des Museums Eger.

Abb. 02. Eger, Burg. Mörtelscholle im Chor, 1968. Foto aus dem Archiv des Museums Eger.

 
Abb. 03. Eger, Burg. Grundmauer der Vorgängerkirche im Nordschiff der Doppelkapelle, 2000. Foto: P. Šebesta.

Abb. 03. Eger, Burg. Grundmauer der Vorgängerkirche im Nordschiff der Doppelkapelle, 2000. Foto: P. Šebesta.

Abb. 04. Eger, Burg. Fundamente der Vorgängerkirche (schwarz) auf dem Grundriss der Doppelkapelle. Zeichnung: P. Šebesta.

Abb. 04. Eger, Burg. Fundamente der Vorgängerkirche (schwarz) auf dem Grundriss der Doppelkapelle. Zeichnung: P. Šebesta.

Abb. 06. Eger, Burg. Lageplan der Pfalz vor 1183. Zeichnung: P. Šebesta.

Abb. 06. Eger, Burg. Lageplan der Pfalz vor 1183. Zeichnung: P. Šebesta.

 
Abb. 09. Eger, Burg. Balkenlöcher nach einer Musikempore über der Treppe, 2002. Foto: P. Šebesta.

Abb. 09. Eger, Burg. Balkenlöcher nach einer Musikempore über der Treppe, 2002. Foto: P. Šebesta.

 
 
 
 
Interaktive Enzyklopädie der Stadt Cheb

Interaktive Enzyklopädie der Stadt Cheb
Liste der 200 namhaftesten Sehenswürdigkeiten in Cheb (Eger).