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Eger, St. Johanneskirche

 
 

Die Johanneskirche – neue Datierung

In der historischen Fachliteratur überwog bis vor kurzem die Meinung, dass die Johanneskirche auf dem Johannesplatz (Jánské náměstí) die älteste Kirche in Eger war. Mehrere Historiker vermuteten ihre Errichtung um das Jahr 1140 (Rimpl 1933, 37; Šamánková 1974, 25; Tietz-Strödel 1992, 71; Boháč 1999, 10). Sie gingen von Diepolds Schenkungsurkunde an das Waldsassener Kloster von 1143 aus, die auch ein gewisser Parrochianus de Egire – Pfarerr aus Eger – als Zeuge unterzeichnete (Gradl 1886 ME 63), der bisher mit der Johanneskirche in Zusammenhang gebracht wurde.
Die Botschaft dieser historischen Nachricht neu zu verstehen, erlaubt uns der Befund einer noch älteren Kirche bei den auf der Egerer Burg durchgeführten Ausgrabungen. Aufgrund dieses Befundes ist es nun möglich, die Genese der ersten Kirchen in der Stadt Eger präziser darzustellen, also auch die Erbauung der Johanneskirche genauer zu datieren.
Unter dem Fußboden der Nordsakristei der staufischen Doppelkapelle auf der Egerer Burg wurde im Jahr1997 das Fundament eines älteren Sakralbaus gefunden. Die 90 cm breite Grundmauer aus Steinen im Mörtelverband setzt sich in Westrichtung unter dem Fußboden des Schiffes parallel zur Nordwand der staufischen Kapelle fort. Die erhaltene Länge dieser Mauer beträgt 11 m. Der rechteckige Innenraum besitzt eine Breite von 6 m sowie eine Länge von 8 m, inklusive der möglichen Apsis von 11 m. Die nordwestliche Ecke, an der die nordwestliche Säule der Doppelkapelle steht, ist markant verstärkt (2 x 1,5 m) und kann entweder als Fundament eines kleinen Glockenturmes, oder einer Treppe zu einer Empore interpretiert werden. (Abb. 1)
Die Kirche wurde im Nordbereich des damals bereits bestehenden slawischen Friedhofs gebaut, der im Jahr 1911 gefunden wurde. Dieses Körpergräberfeld war ohne Zweifel christlich und kann aufgrund der 14C-Daten in die Mitte des 9. Jahrhunderts datiert werden. Es ist allgemein bekannt, dass die Slawen erst nach der Bekehrung zum Christentum von Brand- zu Körperbestattungen übergingen (Šimek 1955, 169). Deutsche Historiker datieren den Prozess der Christianisierung des Egerlandes ins 8. spätestens ins 9. Jahrhundert (Rimpl 1933, 15) und dementsprechend auch den Egerer Friedhof auf dem Burgwall in einen Zeitraum vom 8. bis zum 10. Jahrhundert (Rimpl 1933, 15, Anm. 28).
Die archäologische Datierung der gefundenen Kirche ins 9. Jahrhundert kann mit einem entsprechenden historischen Bericht unterstütz werden. In den Fuldaer Annalen steht, dass sich vierzehn böhmische Fürsten mit ihrem Volk am 13. Februar 845 im Beisein des ostfränkischen Königs Ludwig des Deutschen in Regensburg taufen ließen. Nach Dušan Třeštík befand sich das in den Annalen aufgeführte Gebiet Becheimare im westlichsten Zipfel des böhmischen Kessels (Třeštík 1994, 456). Aus allen Zusammenhängen kann der Schluss gezogen werden, dass einer der vierzehn Fürsten auch der Herr des Egerer Burgwalls war und die Taufe für ihn keinen Akt der Bekehrung zum Christentum bedeutete, sondern die Bestätigung dessen, dass er schon vorher den christlichen Glauben angenommen hatte. Wahrscheinlich nicht lange nach der Rückkehr von der festlichen Taufe ließ er die oben erwähnte kleine Kirche auf dem schon bestehenden christlichen Friedhof erbauen. Der Egerer Herr und sein Volk glaubten echt und tief an Gott und gaben ihren Glauben nicht mehr auf. Die übrigen Fürsten hielten dagegen die Regensburger Taufe wohl nur für einen politischen Akt, weil sie sich im darauf folgenden Jahr 846 beim Kriegszug Ludwigs des Deutschen gegen die Mähren auf die Seite der mährischen Verteidiger stellten und den „Gott der Deutschen“ wieder ablehnten. Die Christianisierung Böhmens sowie weitere staatsbildende Prozesse in Böhmen wurden dadurch um fast vierzig Jahre verschoben, bis in die Regierungszeit des Fürsten Bořivoj I., der die Taufe erst in den 80er Jahren des 9. Jahrhunderts durch Kyrill und Method empfing. Eger blieb aber nach wie vor christlich und gehörte bis zum Jahr 1787 zur Regensburger Diözese (Siegl 1931, 79). Mit höchster Wahrscheinlichkeit kann angenommen werden, dass es in Eger die älteste Steinkirche in Böhmen gibt, die sogar noch vor der Ankunft der Brüder Kyrill und Method aus Thessaloniki nach Mähren gebaut wurde. (Abb. 2)
Diese Kirche erfüllte ihren Zweck auch während der gesamten Zeit der Kolonisierung durch die Vohburger (ca. 1120-1146) und noch in den ersten Jahren der Regierung Friedrichs Barbarossa (1167-1190). Wahrscheinlich bei seinem zweiten Besuch der Egerer Pfalz im Jahr 1183 beschloss der Kaiser, die kleine Kirche durch eine für die Staufen typische Doppelkapelle zu ersetzen, die sich bis heute erhalten hat. Der Bau der Doppelkapelle dauerte ungefähr fünf Jahre, was die dendrochronologische Datierung des Rundholzes vom Gerüst bestätigt, dessen Reste in der Oberkapelle vorhanden waren. Dendrochronologisch wird der Bau der Oberkapelle auf das Jahr 1188 datiert.
Als Ersatz für die abgerissene etwa dreihundert Jahre alte Kirche wurde noch vor der Vollendung der Doppelkapelle in der Pfalz die Johanneskirche in der Vorburg gebaut, deren letzte Gestalt von den Abbildungen in den Chroniken von Karl Huss aus dem Jahr 1788 und Vinzenz Pröckl aus dem Jahr 1824 bekannt ist. (Abb. 3) Der rechteckige, von einem Rippengewölbe überdeckte Bau mit einem viereckigen Chor und wohl auch einer Empore stand im oberen Bereich des abfallenden Johannesplatzes. In allen Abhandlungen, die sich mit dieser Kirche befassen, wird vor allem die mit geheimnisvollen Zeichen versehene, aber leider nicht erhaltene Steinplatte über dem Nordeingang erwähnt. Der Egerer Chronist und Scharfrichter Karl Huss sah in den abgebildeten Zeichen die Basis für die Berechnung der Kirchenbauzeit und kam zu dem Ergebnis, dass sie 731 erbaut und 740 geweiht wurde (Grueber 1864, 47). (Abb. 4) Dahingegen war Karl Siegel der Meinung, dass die Johanneskirche erst in der Zeit der Gründung des Prager Bistums im Jahr 973 an diesem Ort gestanden haben dürfte (Siegl 1931, 6). Des Weiteren vermutete er, dass 1149 die Hochzeit von Friedrich Barbarossa und Adelheid von Vohburg in dieser Kirche stattfand,1) weil damals weder die Burgkapelle noch die Niklaskirche bestanden (Siegl 1931, 12). Diese Vermutung war damals berechtigt, denn er wusste von der Existenz der älteren Kirche auf dem aufgelassenen slawischen Friedhof noch nichts.
    Im Jahr 1964 versuchte Dr. Antonín Hejna, durch eine archäologische Ausgrabung auf dem Johannesplatz Antworten auf offen stehende Fragen bezüglich der Johanneskirche zu finden. (Abb. 5) Eine unangenehme Überraschung für ihn war jedoch die Feststellung, dass nach dem Abriss der Kirche im Jahr 1812 (abgebrannt 1809) sämtliches Baumaterial bis auf die Sohle entfernt und das umliegende Gelände gründlich planiert wurde, sodass lediglich die untersten Bestattungen auf dem einstigen Friedhof erhalten waren (Hejna 1966, 167; 1967, 262). (Abb. 6-8) Beim Aushub der Grube für einen Heizkanal im Jahr 1998 im oberen Bereich des Johannesplatzes wurde das Fragment einer Steingrundmauer freigelegt. (Abb. 9) An einigen anderen Stellen wurden dann lediglich nach dem Mauerabtrag zugeschüttete Gruben gefunden. (Abb. 10) In den anliegenden Schichten waren einige kleine mittelalterliche Keramikscherben vorhanden, was allerdings für eine genaue zeitliche Einordnung des Bauwerks nicht reicht.
Da die Existenz der slawischen Kirche auf dem Burgwall mittlerweile nachgewiesen wurde, kann angenommen werden, dass der in der Urkunde von 1143 unterzeichnete Egerer Pfarrer zu dieser Kirche und nicht zur Johanneskirche gehörte, deren Bau so erst in die Zeit kurz vor dem Umbau der Kirche in der Pfalz durch Barbarossa datiert werden kann, also auf das Jahr 1183.
PhDr. Pavel Šebesta


Literaturverzeichnis:
Boháč, J. 1999: Cheb - město. (Průvodce městem). Vyd. Chebské muzeum v Nakladatelství Českého lesa v Domažlicích, svazek 11.
Gradl, H. 1886: Monumenta Egrana. Das Egerland. Heimatkunde des Ober-Eger-Gebietes. VI. Abtheilung, Eger.
Grueber, B. 1864: Die Kaiserburg zu Eger und an dieses Bauwerk sich anschliessenden Denkmale. Praha
Hejna, A. 1966: Archeologie v historickém areálu města Chebu. In: Památková péče 26, str. 161-167. Praha
Hejna, A. 1967: Archeologický výzkum a počátky sídlištního vývoje Chebu a Chebska. Cheb (Eger) - seine archäologische Durchforschung und die Anfänge der Siedlungsentwicklung der Stadt. In: Památky archeologické LVIII, str. 169-271. Praha.
Rimpl, H. 1933: EGER, die Städtebauliche Entwicklung einer deutschen Stadt. Berlin.
Siegl, K. 1931: Eger und das Egerland im Wandel der Zeiten. Eger.
Šamánková, E. 1974: Cheb. Praha  
Šebesta, P. 2013: Geneze nejstarších kostelů v Chebu. Genese der ältesten Kirchen in Eger. In: Archaeologia historica 38, 291-308. Brno
Šimek, Emanuel 1955: Chebsko - dnešní nejzápadnější slovanské území - v staré době. Masarykova universita Brno.
Tietz-Strödel, M. 1992: Die städtebauliche Entwicklung der Stadt Eger vom 12. bis ins 20. Jahrhundert. In: Kunst in Eger (Schreiner, L., ed.), 67–612. München – Wien.
Třeštík, D. 1994: Křest českých knížat roku 845 a christianizace Slovanů. In: ČČH 92, 423–459.

 

Obrázky

Abb. 01 Grundriss der ältesten Kirche unter der Doppelkapelle.

Abb. 01 Grundriss der ältesten Kirche unter der Doppelkapelle.

Abb. 02 Kirche auf dem Burgwall, Rekonstruktion.

Abb. 02 Kirche auf dem Burgwall, Rekonstruktion.

Abb. 03 Johanneskirche, Prökl 1824.

Abb. 03 Johanneskirche, Prökl 1824.

 
Abb. 04 Johanneskirche. Zeichnung der Steinplatte mit geheimnisvollen Zeichen über dem Eingang, Grueber 1864.

Abb. 04 Johanneskirche. Zeichnung der Steinplatte mit geheimnisvollen Zeichen über dem Eingang, Grueber 1864.

Abb. 05 Johannesplatz. Plan der Ausgrabungen, 1962-64.

Abb. 05 Johannesplatz. Plan der Ausgrabungen, 1962-64.

Abb. 06 Johannesplatz. Schnitt, Ausgrabungen1964 – Hejna.

Abb. 06 Johannesplatz. Schnitt, Ausgrabungen1964 – Hejna.

 
Abb. 07 Johannesplatz. Gräber, Ausgrabungen 1964 – Hejna.

Abb. 07 Johannesplatz. Gräber, Ausgrabungen 1964 – Hejna.

Abb. 08 Johannesplatz. Fragment des Kirchenfundaments, 1964 – Hejna.

Abb. 08 Johannesplatz. Fragment des Kirchenfundaments, 1964 – Hejna.

Abb. 09 Johannesplatz. Fragment des Kirchenfundaments, 1998 – Šebesta.

Abb. 09 Johannesplatz. Fragment des Kirchenfundaments, 1998 – Šebesta.

 
Abb. 10 Johannesplatz. Schwarze Verschüttung der Grube nach dem Mauerabtrag, 1998 – Šebesta.

Abb. 10 Johannesplatz. Schwarze Verschüttung der Grube nach dem Mauerabtrag, 1998 – Šebesta.

Abb. 11. Eger, St. Johanneskirche. Tympanon. Nach Grueber 1864.

Abb. 11. Eger, St. Johanneskirche. Tympanon. Nach Grueber 1864.

Abb. 12. Eger, St. Johanneskirche. Fragment einer Grundmauer. Aus Nachlass von Dr. A. Hejna 1964.

Abb. 12. Eger, St. Johanneskirche. Fragment einer Grundmauer. Aus Nachlass von Dr. A. Hejna 1964.

 
Abb. 13. Eger, St. Johanneskirche. Reste des Friedhofs. Aus Nachlass von Dr. A. Hejna 1964.

Abb. 13. Eger, St. Johanneskirche. Reste des Friedhofs. Aus Nachlass von Dr. A. Hejna 1964.

 
 
 
 
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