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Eger, Franziskanerkloster

 
 

Die Franziskanerkirche Mariä Verkündigung – archäologische Ausgrabungen 1987-1989

Im westlichen Teil der immer größer werdenden Stadt Eger ließen sich kurz nach 1240 die Minderen Brüder des hl. Franziskus von Assisi nieder, die auch Minoriten genannt werden. Ihr erster Guardian Eberhardt wird im Jahr 1247 urkundlich erwähnt. Im Jahr 1256 war der Regensburger Erzbischof Albrecht im bereits fertig gebauten Kloster untergebracht und gab dort eine Urkunde heraus. Beim Brand von Eger im Jahr 1270 wurde am 16. Mai auch das Kloster samt der Kirche von den verheerenden Flammen ergriffen. Die wiederaufgebaute Kirche wurde nach weniger als 15 Jahren, am 26. Januar 1285, im Beisein fünfer Bischöfe und des römischen Kaisers Rudolf I. von Habsburg feierlich geweiht. Vier Tage darauf, am 30. Januar 1285, wurde dort der böhmische König Wenzel II. mit Rudolfs Tochter Guta vermählt. Ein Freskogemälde, das an dieses Ereignis erinnert, wurde 2012 an den beiden Portalschrägen der ursprünglichen gotischen Klosterpforte gefunden. Diese befindet sich hinter dem Seitenaltar in der Stirnwand des Nordschiffes. (Abb. 20).

Vor der geplanten Rekonstruktion der Kirche wurden dort in den Jahren 1987 bis 1989 durch das Egerer Museum die Ausgrabungen vorgenommen, durch die die Bauverhältnisse vor dem Brand im Jahr 1270 festgestellt werden sollten. Die Hauptaufmerksamkeit wurde der Sakristei gewidmet, deren Lage zwischen dem Chor und dem Kreuzgang atypisch ist. Diese Sakristei von 5 x 10 m Größe wurde bisher von manchen Historikern aufgrund der altertümlich aussehenden nicht profilierten Gewölberippen als Überrest der romanischen Vorgängerkirche angesehen (Peťas 1966, 27; Šamánková 1974, 33). (Abb. 1) Bei den Ausgrabungen wurde aber in der Südwand der Sakristei eine deutliche Anschlussstelle zweier verschiedener, in einer Linie verlaufender Grundmauern festgestellt, von denen die westliche der Vorgängerkirche und die östliche dem verlängerten Chor der heutigen Kirche angehört. (Abb. 2) Beide Mauern reichen bis zu einer Tiefe von 3 m und ruhen auf der Sohle einer bis zu diesem Zeitpunkt ungeahnten eingetieften Anlage. Über der Anschlussstelle der Grundmauern kam die Armierung aus Granitquadern unter dem Putz zum Vorschein, die andeutete, dass sich der ältere Bau in den heutigen Chor fortsetzt. Die Fortsetzung der 100 cm breiten Grundmauer dieses Baus wurde im Folgejahr unter dem Fußboden des Chores tatsächlich nachgewiesen. Sie verlief senkrecht von der nördlichen zur südlichen Wand des Chores und schloss die Vorgängerkirche im Osten ab. Der Chor ist also genauso breit wie die Vorgängerkirche, aber um 11 m länger. Weil sich unter dem gesamten heutigen Chor neuzeitliche Grüfte befinden, konnte nicht festgestellt werden, ob die Vorgängerkirche mehr Schiffe besaß. Angesichts dessen, dass an ihrem östlichen Abschluss keine Apsis gefunden wurde, kann angenommen werden, dass es sich um eine Hallenkirche handelte.


Von der Nordostecke der Vorgängerkirche führte wohl eine weitere Steingrundmauer in Nordrichtung und setzte sich bis unter die Nordwand der Sakristei fort, an die der Kreuzgang anschließt. Diese Grundmauer wurde fast über ihre gesamte Länge nur im Negativ festgestellt und ist nur an der Anschlussstelle mit der Wand der Sakristei gut erhalten. Das erhaltene Fragment der Grundmauer ist 100 cm breit und die Gründungssohle liegt 100 cm unter der Ebene des jüngsten Fußbodens. Weil sie unter der Nordwand der Sakristei verläuft, ist sie eindeutig älter als diese. (Abb. 3) Ohne Zweifel handelt es sich um die älteste Einfriedung des Klosters, die nach dem Brand von 1270 abgetragen wurde, als damals nicht nur die Kirche, sondern auch das Kloster um- und ausgebaut wurden. Dieser Befund ist ein weiterer Nachweis dafür, dass die heutige Sakristei mit der vor dem Brand bestehenden Vorgängerkirche nicht identisch gewesen sein kann. Die ursprüngliche gotische Pforte ins Kloster kam im Nordschiff der Kirche hinter dem Altar zum Vorschein, nachdem dieser beseitigt worden war. (Abb. 4) An den beiden Portalschrägen der Pforte wurde ein Wandbild freigelegt und restauriert, auf dem u.a. eine Gestalt mit dem Wappen des Böhmischen Königtums abgebildet ist und das an die Vermählung Königs Wenzel II. mit Guta von Habsburg im Januar 1285 erinnern dürfte. (Abb. 5) Die Klosterpforte wurde beim Umbau in die Ecke des Kreuzgangs verlegt, wo sie bis heute ihren Standort hat. Die dadurch entstehende Freifläche wurde zum Bestatten der Mönche genutzt. (Abb. 6)


    Unter dem Fußboden der Sakristei wurde ein Teil der bereits erwähnten eingetieften Anlage gefunden, das offenbar älter ist als die Klosterbauten. Wie bereits angeführt wurde, sind die Grundmauern der beiden Kirchen bis zur Sohle dieser Anlage eingesunken. In einer Tiefe von 3 m wurde der Eingang in diese Anlage gefunden. Er ist 1 m breit und weist Spuren einer Holzschwelle auf. Darüber befindet sich ein Podest, zu dem acht in den gewachsenen Lehmboden gegrabene Treppen hinunter führen. Die 6 m lange Nordwand ist mit einer 60 cm dicken Steinmauer versehen. Das Podest samt der Treppe ist mit einer 40 cm dicken Steinmauer verkleidet. (Abb. 7) Der obere Teil der Verkleidungsmauer der Treppenrampe und ein kleiner Abschnitt der anliegenden Stufe wurden durch den Aushub der Baugrube für die Außenmauer des Klosters beschädigt. An der höchsten Stufe ist ein Pfostenloch von der Türzarge vorhanden. Die Ost- und Westwand der Anlage sind einfach in den anstehenden Lehmboden gegraben und besitzen keine Verkleidungsmauer. Die südliche, d.h. die der Treppe gegenüberliegende Wand, die unter der heutigen Kirche erfasst wurde, ist dagegen wieder mit einer Steinmauer versehen. Auf dem flachen festgestampften Fußboden lag eine schwarze Kulturschicht, die Keramik vom Anfang des 13. Jahrhunderts enthielt, vor allem Bruchstücke von Deckeln, ein Gefäßboden mit großem plastischem Stempel, ein Ausguss sowie mehrere für diese Zeit typische Gefäßränder. (Abb. 8) Es handelt sich also entweder um eine sehr große Wohngrube von 7x6 m, oder einen Keller eines großen Hauses aus der Zeit der mittelalterlichen Besiedlung von Eger.


Der Keller (die Wohngrube) wurde irgendwann vor 1240 verfüllt, noch vor der Ankunft der Minoriten. Beim Bau der Kirche mussten die Baugruben bis zum gewachsenen Boden in einer Tiefe von 3 m ausgehoben werden. Die nordöstliche Ecke der im Mai 1270 abgebrannten Vorgängerkirche ist bis heute deutlich erkennbar. Beim Wiederaufbau der Kirche wurde der ursprüngliche Hallenbau um 11 m in Ostrichtung verlängert und mit einer fünfkantigen Apsis versehen. Die anschließende Klostermauer wurde ebenfalls abgerissen und zwischen der Kirche und dem Kreuzgang die Sakristei errichtet, die während der Bauarbeiten als Klosterkapelle zu Gottesdiensten genutzt wurde. Davon zeugen die Konsekrationskreuze, die in mehreren Schichten an den Wänden erhalten geblieben sind, und das Fundament einer Altarmensa unter dem Fenster. In den schmalen Schnitten oberhalb der zugemauerten Tür in der Nordwand, durch die die Kapelle mit dem Kreuzgang ursprünglich verbunden war, sind die Fragmente eines freigelegten Wandbilds zu sehen. (Abb. 9) Nach der Vollendung der letzten barocken Umgestaltung im 18. Jahrhundert wurde die Kapelle endgültig in eine Sakristei umgewandelt. Wegen des Möbeleinbaus wurden die gemauerten Stützpfeile des altertümlich aussehenden Gewölbes abgehauen. Von der ursprünglichen Ausstattung der Sakristei sind SACRARIUM und LAVABO vorhanden. Das Lavabo ist ein Waschbecken, das den Priestern zum rituellen Händewaschen vor der Messe diente und im zugemauerten Durchgang in den Kreuzgang eingebaut war. Unter dem Lavabo ist das Sacrarium angeordnet, ein steinerner mit ringförmiger Granitplatte abgedeckter Abflussbehälter, in den das Weihwasser aus dem Lavabo durch die bis heute erhaltene Ziegelrinne abfloss. (Abb. 10)


Bei der Untersuchung der Kirche wurde festgestellt, dass sowohl die drei Schiffe als auch der Turm auf der Südseite der Kirche erst später angebaut wurden. Im Turm, der vom Chor und vom Südschiff zu betreten ist, befand sich ursprünglich die Kapelle des hl. Antonius, von der eine Glasmalerei mit dem Wappen der Zimmererzunft erhalten geblieben ist. (Abb. 11) Der Turm wurde an den Chor nach 1330 an der Stelle eines älteren Friedhofs angebaut, wovon die Gräber im Turminneren zeugen. Eine Grabgrube wurde durch den Bau des Turmes beschädigt. Im Chorinneren waren West-Ost-orientierte Körpergräber in Superpositionen an der Südwand angeordnet. (Abb. 12) Im 17. Jahrhundert wurden im Chor gewölbte Ziegelgrüfte errichtet, infolge dessen der Fußboden des gesamten Chores um 40 cm gegenüber dem Niveau der drei Schiffe erhöht wurde.


In der Kirche wurden mehrere Münzen gefunden. In den Schichten über den Gräbern unter dem ältesten Fußboden lagen ein vom Ende des 13. bis zum Anfang des 15. Jahrhunderts geprägter Haller Handpfennig (Abb. 13) und eine bis heute unbekannte Hohlprägung mit dem gotischen E am Kreuz (wohl die Egerer) aus dem 14. Jahrhundert. (Abb. 14) In der Schicht über der Verfüllung der Wohngrube im Chor wurde ein Egerer Hohlpfennig aus dem 14. Jahrhundert gefunden (Castelin 1956, 80).
Im Schiff, obwohl dieses durch neuzeitliche Gräber und Grüfte bedeutend beschädigt worden war, wurde unter den Fundamenten der Vorgängerkirche und des Chorbogens wieder die ursprüngliche Siedlungsschicht gefunden, aus der eine silberne Hohlmünze mit einem von links schreitenden Vogel stammt. Sie wurde von Václav Klíma, einem Egerer Numismatiker, als Münze aus Wien des 13. Jahrhunderts bestimmt. (Abb. 15)


Ein überraschender Befund wurde nach der Entfernung des neugotischen Hochaltars gemacht. Unter dem Altarpodium lag ein Marmorkruzifix, bei dem der Kopf Christi und der Oberteil des Kreuzes fehlten. Auf den ausgestreckten Armen Christi stand eine Altarmensa. Die Plastik lag auf einer queren Ziegelmauer, die auf einem kleinen Gewölbebogen in der Mitte einer 125 cm tiefen ausgekleideten, sonst leeren Grube gebaut wurde. Für eine solche Lage der wohl barocken Sakralplastik lässt sich nur schwer eine logische Erklärung finden. Es dürfte sich um den Überrest des barocken Hochaltars der Schmerzensmutter von Sebastian Kaiser aus dem Jahr 1689 gehandelt haben. Dieser Altar wurde im Jahr 1828 an die Stirnwand des Nordschiffes verlegt und anstelle dessen ein neugotischer Hauptaltar errichtet. (Abb. 16)


Der bisher letzte interessante Fund wurde im September 2000 in der Kirche gemacht. Während der Vorbereitung einer Theatervorstellung nach dem alttestamentlichen Buch Hiob im Rahmen des Festivals Mitte Europa durchsuchten neugierige technische Mitarbeiter des Sächsischen Theaters alles, einschließlich der Krypta unter dem einstigen vom Nordschiff der Kirche betretbaren Oratorium der Klarissinnen. Die Krypta ist ein 12 m langer Gang, auf dessen beiden Seiten sich je zehn in drei Reihen übereinander angeordnete Grabzellen befinden, die einst zugemauert waren. Bei den meisten war die Vorderwand bereits herausgebrochen, die Skelettüberreste waren beschädigt und manche zerstörungswütig verstreut. In einer der unteren Grabzellen fanden die Techniker Silbermünzen aus der Zeit des Dritten Reiches. Durch die rechtzeitige Einschaltung der Museumsmitarbeiter gelang es, den gesamten Schatz von 252 silbernen, bis zum Jahr 1939 geprägten 2- und 5-Mark-Münzen zu retten. Manche waren noch in originalen Münzrollen vorhanden. Wer das Geld im Laufe des Kriegs dort versteckte, bleibt wohl für immer ein Geheiminis. Jedenfalls hinderte ihn der Krieg daran, den Schatz auszuheben.

Die Mariä Verkündigungskirche ist heute im Besitz der Stadt Eger und wird schrittweise renoviert (mehr über die Ergebnisse der Untersuchungen von 1989 s. Šebesta 1989).

Literaturverzeichnis:
Castelin, K. 1956: Chebské mincovnictví v době grošové (1305–1520). In: Numismatický sborník III, 73-113
Klíma, V. 1961: Chebské brakteátové feniky. In: Numismatické listyXVI, 131-135
Líbal, D. a kol. 1973: Cheb, soubor býv. Kláštera františkánů a klarisek. Stavebně historický průzkum
Peťas, F. 1966: Historické město Cheb. In: Cheb, městská památková rezervace a hrad. Praha
Šamánková, E. 1974: Cheb. Praha
Šebesta, P. 1989: Nové příspěvky ke stavebnímu vývoji Chebu. In: AH 14/89, 123-130
Šebesta, P. 2001: Poklad v klášterní kryptě. In: Sborník Chebského muzea 2000, str. 167-170

 

Obrázky

Abb. 01 Franziskanerkloster. Plan der archäologischen Schnitte 1987-89.

Abb. 01 Franziskanerkloster. Plan der archäologischen Schnitte 1987-89.

Abb. 02 Sakristei. Grundmauern der Vorgängerkirche rechts und des verlängerten Chores links.

Abb. 02 Sakristei. Grundmauern der Vorgängerkirche rechts und des verlängerten Chores links.

Abb. 03 Franziskanerkloster. Fragment der ursprünglichen Klostermauer in der Sakristei links unten.

Abb. 03 Franziskanerkloster. Fragment der ursprünglichen Klostermauer in der Sakristei links unten.

 
Abb. 04 Ursprünglicher Eingang ins Kloster, gefunden hinter dem Altar im Nordschiff der Kirche.

Abb. 04 Ursprünglicher Eingang ins Kloster, gefunden hinter dem Altar im Nordschiff der Kirche.

Abb. 05 Franziskanerkloster. Wandbild am ursprünglichen Eingangsportal ins Kloster.

Abb. 05 Franziskanerkloster. Wandbild am ursprünglichen Eingangsportal ins Kloster.

Abb. 06 Franziskanerkloster. Bestattungen im Nordschiff, Ausgrabung 1989.

Abb. 06 Franziskanerkloster. Bestattungen im Nordschiff, Ausgrabung 1989.

 
Abb. 07 Franziskanerkloster Sakristei. Eingangshals zur Wohngrube oder zum Keller.

Abb. 07 Franziskanerkloster Sakristei. Eingangshals zur Wohngrube oder zum Keller.

Abb. 08 Franziskanerkloster. Funde aus der Wohngrube.

Abb. 08 Franziskanerkloster. Funde aus der Wohngrube.

Abb. 09 Franziskanerkloster. Wandbild in der Sakristei.

Abb. 09 Franziskanerkloster. Wandbild in der Sakristei.

 
Abb. 10 Franziskanerkloster. Lavabo und Sacrarium in der Sakristei.

Abb. 10 Franziskanerkloster. Lavabo und Sacrarium in der Sakristei.

Abb. 11 Franziskanerkloster. Fenster der Zimmererzunft im Turm.

Abb. 11 Franziskanerkloster. Fenster der Zimmererzunft im Turm.

Abb. 12 Franziskanerkloster. Bestattungen im Chor.

Abb. 12 Franziskanerkloster. Bestattungen im Chor.

 
Abb. 13 Franziskanerkloster. Haller Handpfennig.

Abb. 13 Franziskanerkloster. Haller Handpfennig.

Abb. 14 Franziskanerkloster. Unbekannte Hohlprägung der E-Münze.

Abb. 14 Franziskanerkloster. Unbekannte Hohlprägung der E-Münze.

Abb. 15 Franziskanerkloster. Münze aus Wien des 13. Jahrhunderts.

Abb. 15 Franziskanerkloster. Münze aus Wien des 13. Jahrhunderts.

 
Abb. 16 Franziskanerkloster. Kruzifix im Chor von Süden.

Abb. 16 Franziskanerkloster. Kruzifix im Chor von Süden.

Abb. 20. Eger, Franziskanerkloster. Freske mit dem böhmischen Wappen an der ehemaligen Pforte, 2012. Foto: P. Šebesta.

Abb. 20. Eger, Franziskanerkloster. Freske mit dem böhmischen Wappen an der ehemaligen Pforte, 2012. Foto: P. Šebesta.

 
 
 
 
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